Felicitas & Volker Lehnert

Rommerskirchen - Gill


Beratungstipp

Hier finden Sie einzelne Aspekte der Lebensberatung in Form einer brieflichen Anfrage und einer Antwort von Felicitas A. Lehnert:

 


 WENN 'NACHTS EINER AM FENSTER STEHT''
oder: Wenn Großeltern alt werden

Eine Frage:

Meine Großmutter macht mir Sorgen. Sie ist 97 Jahre alt und seit dem Krieg Witwe. Zweimal täglich kommt ein Pflegedienst. Auch meine Geschwister und meine Mutter kümmern sich genau wie ich einmal wöchentlich um sie, so dass sie noch alleine wohnen kann, was ihr sehr wichtig ist. Im Kopf ist sie noch klar, bis vor kurzem jedenfalls. Sie wird nur zunehmend misstrauischer. Die Putzfrau hat sie regelrecht rausgeschmissen, weil sie angeblich klaute. Wir können das nicht beurteilen, sondern haben lediglich für eine neue, sehr zuverlässige Dame gesorgt. Nun erzählt meine Großmutter seit Wochen, dass nachts ein Mann, der vor ihrer Haustüre lagere, an ihr Fenster käme und immer mit Licht in ihr Schlafzimmer leuchten würde. Sie hat deswegen schon mehrfach die Polizei verständigt, aber der Mann käme immer wieder. Er wäre „ein Schwein“ und wollte immer zu ihr. Gibt es diesen Mann?

Eine Antwort:

Wahrscheinlich nicht! Dennoch würde ich Ihnen raten, sich zur eigenen Einschätzung der Lage (denn theoretisch gibt es fast alles in dieser Welt) einmal nachts im Auto in der Nähe des Hauses aufzuhalten, Tür und Fenster zu beobachten und am nächsten Tag ihre Großmutter zu befragen. Sollte sie dann wieder von dem Mann reden, so sind Sie im Bilde, wohlgemerkt: für sich selber! Ihrer Großmutter diesen Mann auszureden, wäre unsinnig, denn in ihrem Kopf existiert er. Sie würde sich nur nicht mehr verstanden fühlen und entweder aggressiv oder resigniert reagieren. Es gibt verschiedene Erklärungen für dieses „Schwein“:

  • Ihre Großmutter will Ihnen ihre Hilflosigkeit zwingend zeigen, um Sie zum Handeln zu bewegen wie etwa: zu ihr ziehen, sie öfter besuchen, sie in der Nacht nicht alleine lassen etc. Dafür spricht auch ihr zunehmendes Misstrauen, ein Ausdruck für die Angst vor dem Kräfteverlust.
  • In Ihrer Großmutter als langjähriger Witwe kommen eigene längst verdrängt geglaubte sexuelle Wünsche in Form eines Mannes, eines „Schweines“ hoch. Mit solchen Wünschen kann sie besser umgehen, wenn sie diese als ‚andere Person’ ansieht denn als eigenes Bedürfnis, das ‚zu ihr will’.
  • Dass Ihre Großmutter auf Grund ihres Alters dem Tode nahe ist, ist keine neue Erkenntnis. Der Mann kann in ihrer Seele auch ‚Gevatter Tod’ sein, der erscheint, um sie zu holen. Dieses Motiv gibt es in vielen Erzählungen und Geschichten. Pflegende Personen berichten häufig davon, dass Menschen wenige Wochen oder Monate vor ihrem Tod immer wieder von solchen ‚Personen’ berichten. Die Nähe zum Tod und die Angst davor können sich so ausdrücken.
  • Eine Altersdemenz kommt selten von heute auf morgen. Auch wenn Ihre Großmutter im Wachzustand noch klar erscheint, können im Halbschlaf und im Dunkel der Nacht ‚Gespenster’ auftauchen, die sie nicht als solche erkennen kann. Für sie sind sie real.

Wie sollten Sie reagieren? Schließen Sie durch Beobachtung den realen Mann aus. Reden Sie Ihrer Großmutter jedoch diesen Mann nicht aus. Sie würde ihn dennoch wieder ‚sehen’ und ‚hören’. Lassen Sie sie ihre Ängste, Sorgen und Befürchtungen aussprechen. Geben Sie ihr nicht das Gefühl ‚zu spinnen’, denn die Realität Ihrer Großmutter ist nicht weniger bedeutsam als Ihre eigene.   

 Felicitas A. Lehnert

 


 

ERWACHSEN WERDEN

Frage:

Ich (38) fühle mich auf dem Rückzug von der Welt, getrieben, sinnentleert, hege Selbstmordgedanken. Einen Beruf gab ich auf, ein Studium auch und mein jetziges Studium bringe ich ebenfalls nicht zu Ende. Ich stehe an einer Scheide hin zur Offenheit, zur selbstbestimmten Gestaltung meines Lebens, aber ich schaffe es nicht. Ich glaube, es hängt mit meiner Mutter zusammen. Mein Leben bestand bis zu ihrem Tod darin, mich für ihre emotionale Stabilität / Balance verantwortlich zu fühlen. Sie war unglücklich, und ich glaube, nur ich hielt sie vom Selbstmord ab, wie sie meinen Brüdern offenbarte. Ich habe Angst vor mir selbst, Angst, ohne ältere und größere Menschen, die mich begrenzen, leben zu müssen. Es ist, als läge über allem ein Fluch. Der Versuch selbständig zu werden ist quälend. Wie kann ich eigene Wege wagen?

 

Ein Bild:

Eine Mutter hatte drei Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen. Die Ehe war unglücklich und ihre Suche nach einem Partner endete in der Beziehung zur eigenen Tochter. Diese war ihr Lebenshalt und –inhalt. Sie musste jedoch immer zur Verfügung stehen, deshalb durfte sie auf keinen Fall dem Kinderwagen entwachsen, denn nur mit Hilfe des Wagens als Stütze konnte die Mutter gehen. Ihre Tochter war „für ihre emotionale Stabilität / Balance verantwortlich“. Sie lernte nicht, sich „ein Leben ohne ... ältere und größere Menschen, die (sie) noch begrenzen ... vorzustellen“. Und vor allem: sie lernte niemals, ihre Beine zu gebrauchen. Es war wie „ein Fluch“. Ihr ganzes Leben empfand sie als „quälenden Versuch selbständig zu werden. Ihr „fehlten die Maßstäbe“. Was war normal? Was durfte sie, was musste sie? Wofür waren ihre Beine? Wut stieg in ihr auf. Wo sollte sie mit ihrer Lebensenergie hin? Warum hatte sie kein Lebensrecht ohne Mutter? Wie ein Baby löste sie emotionale Spannungen mit Essen. Mordgedanken kamen hoch. Aber wohin damit? Gegen Gott? Das ging nicht. Gegen die Mutter? Die war mittlerweile verstorben. Also gegen sich selbst. Alleine im Kinderwagen war sie zugleich Täter und Opfer. Aber eigentlich wollte sie doch leben. Aber wie? Sie musste aus diesem entsetzlichen, längst nicht mehr altersgerechten Kinderwagen raus. Aber er war das Einzige, was sie kannte. Verhasst, aber vertraut. Es nutzte jedoch nichts, wenn andere ihren Wagen schoben, zumal sie kaum jemanden fand, der sich bereit erklärte, eine erwachsene Frau im Kinderwagen zu schieben.

 

Hier war Kranksein die Lösung. Kranke würden geschoben. Aber auf Dauer? Ihr Selbstwertgefühl litt zusehends. 38 Jahre alt und noch immer im Kinderwagen. Wie kam sie hier nur raus? Die Wut! Aggression ist eine starke Kraft. Sie ist schlecht, wenn sie sich gegen das Leben richtet, aber gut, wenn sie Leben schafft, dem Überleben dient.

 

Was heißt das für Sie? 

Sie haben die Wahl zwischen Kinderwagen und Selbstständigkeit. Nutzen Sie Ihre (gesunde) Wut zur Befreiung von alten Mustern (wenn Sie’s wollen).

Die Frage ist nicht, wer oder was Sie weiterschiebt, sondern wen Sie schieben, denn Sie „stehen an einer Scheide hin zur Offenheit, zur selbstbestimmten Gestaltung (ihres) Lebens“.

Der Preis: Aufgabe von alten Rollenmustern, Bequemlichkeit, Ent-Schuldigungen. Der Gewinn: ein eigenes Leben!

 

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Wut nutzen, um aus dem Kinderwagen zu steigen.

 

Felicitas A. Lehnert


Sich nicht verbiegen

Frage:

In der Firma meines Mannes wird in Kürze ein interessanter Posten frei, für den er sich schon lange interessiert. Die Aufgabe traut er sich durchaus zu, und da ist er nicht der einzige.

In den letzten Wochen jedoch wirkt er zunehmend verunsichert, was gar nicht zu seinem Wesen gehört. Häufig kommt ihm die Frage, was man eigentlich von ihm erwartet. Unsere Freunde meinen, er sei gar nicht mehr der ‚Alte’. Dies berührt ihn sehr.

Wie kann er wieder der ‚Alte’ werden, er selber, mit dem er doch bisher so gut zurecht kam.

Und: Wie soll er sich verhalten, um sein Ziel zu erreichen?

 

Ein Bild:

Der König der Tiere wurde alt und starb. Ein neuer König musste erkoren werden. Die Tiere wurden unruhig, besonders die potenziellen Alphatiere. Der Rudelführer der Hunde schien prädestiniert für diese Aufgabe. Er war mutig, furchtlos, fleißig, ideenreich, freundlich, weltoffen, kontaktfreudig und erfahren. Viele Tiere setzten auf ihn.

Als die Entscheidung näherrückte, wurde er jedoch unsicherer. Er dachte: Die Hunde sind für mich, aber was ist mit den Affen? Muss ich für sie klettern lernen? Und was ist mit den Fischen? Schwimmen kann ich wohl, aber nicht unter Wasser. Die Kängurus wollen sicherlich, dass ich hüpfe und als König der Katzen muss ich schnurren statt knurren. Ach ja, und die Vögel erwarten einen Flugkünstler. Soll ich nun bellen oder lieber schweigen wie die Schnecken? Oder plappern wie die Papageien? Und was ist mit den Weibchen? Königin kann ich doch nie sein.

So strengte sich der Hund an, alle Dinge zu lernen: klettern, tauchen, schnurren, hüpfen, fliegen, schweigen und plappern...

Dann kam der große Tag. Für die Affen kletterte er nicht hoch genug, für die Fische tauchte er nicht tief genug. Für die Katzen schnurrte er nicht gut genug, für die Vögel flog er nicht hoch genug, für die Schnecken schwieg er nicht leise genug. Für die Papageien plapperte er nicht laut genug und ein Weibchen konnte er nicht werden.

Aber vor allem: Er war vor lauter Zusatzqualifikationen kein Hund mehr, und schon gar nicht der beste. Als Rudelführer der Hunde hätte er König werden können, aber jetzt...

Sagen (und zeigen) Sie Ihrem Mann: Du bist ok! Bei aller Liebe zum Dazulernen: Posten kommen und gehen. Berufe sind zeitlich begrenzt.

Seine Identität aber bleibt.

Und seine Frau auch.

Felicitas A. Lehnert


 

       

"Streit um Weihnachten"

 




Juli 2017

"Ess-Störungen und Mutterbeziehung"

Ess-Störung_1.pdf (103.66KB)
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März 2017

"Nicht begehrt werden"





NOVEMBER 2016

"Von der Blüte zur Reife"

Apfelbaum.pdf (98.43KB)
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SEPTEMBER 2016

"Verleugnen Sie Ihre 'andere Seite' nicht"



MAI 2016

"Die unausgelebte Seite Ihrer Persönlichkeit"

 

Äffchen.pdf (101.48KB)
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APRIL 2016

"Wenn die Kinder sehr unterschiedlich sind"


MÄRZ 2016

"Was gibt ihm die Sucht, was ich nicht habe?"

Sucht.pdf (96.55KB)
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FEBRUAR 2016

"Wenn die Sprachen der Liebe unterschiedlich sind"